Stadt in Bewegung

In den 1970er-Jahren waren in Basel zahlreiche Bewegungen aktiv, die sich für eine lebenswertere Welt einsetzten. Bewusst nutzten sie visuelle Kommunikation, um ihre Anliegen öffentlich sichtbar zu machen. Davon zeugt etwa der fotografische Nachlass fotolib Basel / Kurt Graf.

Ein “wohnliches St. Johann” forderte ein gleichnamiges Komitee Mitte der 1970er-Jahre: weniger Lärm, weniger Dreck und Verkehr in diesem Randquartier der Stadt. Im St. Johann-Quartier sorgten damals Schwer- und Fernverkehr, Industrieanlagen, Kehrichtsverbrennungsanlage für grosse Beeinträchtigungen. Dagegen wehrte sich das Komitee Wohnliches St. Johann. Zum Beispiel mit einer Demonstration im April 1976, ausgehend vom Quartier bis auf den Marktplatz und in den Rathaushof. Gefordert wurde die Erhöhung des Kamins beim Fernheizwerk an der Voltastrasse, damit dessen Abgase nicht die Luft im Quartier verschmutzten. Mit Erfolg übrigens: Ein entsprechender Ausbaukredit wurde zwei Jahre später vom Parlament genehmigt.

Aufnahmen von einer Demonstration des Komitees Wohnliches St. Johann im April 1976.
Abb. 1: Demonstration des Komitees Wohnliches St. Johann, April 1976.

Eine Bestandsaufnahme von 1981 listet Dutzende lokale Bürger:inneninitiativen auf, die sich für eine Verbesserung der städtischen Wohnqualität einsetzten. Daneben waren zudem zahlreiche Gruppierungen aktiv, die sich für Gleichberechtigung, Antimilitarismus, erneuerbare Energie und mehr einsetzten. Aktuell ist in “BelleVue – Ort für Fotografie” eine Ausstellung zu sehen, die einen Einblick in diese Bewegungen gibt. Grundlage der Ausstellung ist der fotografische Nachlass “fotolib Basel / Kurt Graf” – eine visuelle Dokumentation jener politischen Bewegungen, Ereignisse und Ideen, die in der Schweiz der 1970er-Jahre eine ganze Generation prägten. Ab 1975 dokumentierten Kurt Graf, Heiner Vogelsanger und Marcel Geiger als Fotografen-Kollektiv Widerstand und Protest, Aufbruch und Utopien. Den Ausschlag hatte die Besetzung des AKW-Baugeländes in Kaiseraugst im April 1975 gegeben. Die Fotografien entstanden, um das Engagement festzuhalten und weit herum bekannt zu machen.

Aufnahmen von einer Demonstration des Komitees Wohnliches St. Johann im April 1976.
Abb. 2: Demonstrierende des Komitees Wohnliches St. Johann vor dem Rathaus im April 1976.

Als Vorbild dienten fotolib Basel die Agenturen fotolib Lausanne und fotolib Paris. Der Name fotolib war 1973 aufgetaucht, als sich eine Gruppe professioneller Fotograf:innen in Paris zusammenschloss, um für die linke Zeitung Libération zu arbeiten. Fotolib Basel fungierte als Kollektiv: Die Bilder wurden weder mit dem Namen des Fotografen versehen noch ist durch eine individuelle Bildsprache erkennbar, von wem sie aufgenommen wurden. Ziel war es, die Bewegungen von innen zu dokumentieren. Die drei Fotografen verstanden sich als aktiver Teil einer sozialen Bewegung, marschierten an den Demonstrationen mit. Dabei verflossen die Grenzen zwischen professioneller und Hobby-Fotografie weitgehend.

Aufnahmen von einer Demonstration des Komitees Wohnliches St. Johann im April 1976.
Abb. 3: Eine Demonstrantin an der Demonstration des Komitees Wohnliches St. Johann.

Die Agentur fotolib Basel war in der deutschen und französischen Schweiz wie auch über die Landesgrenzen hinaus aktiv und bestens vernetzt. Die Fotografien dienten für Tonbildschauen, zur Illustration von Flugblättern und Büchern, wurden in Zeitungen abgedruckt. Ganz bewusst setzten diese Initiativbewegungen auf die Macht visueller Kommunikation. Sichtbar wird dies zum Beispiel auch in den Aktivitäten und Beständen der Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz (PA 1306).

Der Nachlass “fotolib Basel / Kurt Graf” ergänzt künftig das fotografische Kulturerbe im Staatsarchiv.

Instutionenporträt

Das Staatsarchiv Basel-Stadt ist das historische Gedächtnis von Staat und Stadt. Es sichert fast tausend Jahre Geschichte, macht das Handeln von Politik und Behörden sowie das Leben der Stadtbevölkerung nachvollziehbar. Zu den über 24 Kilometern archivierter Unterlagen gehören auch mehr als zwei Millionen historischer Fotografien.

Quellen

Abbildungen

Abb. 1-3: fotolib Basel.

Literatur

Lichtblick. Publikation zur Ausstellung von Staatsarchiv Basel-Stadt und BelleVue – Ort für Fotografie, März bis Juni 2024. https://bellevue-fotografie.ch/.

Urs Weber: Bürgerinitiativen in Basel, in: Basler Stadtuch 1981, S. 63–71. http://www.baslerstadtbuch.ch/stadtbuch/1981/1981\_1610.html.

Komitee Wohnliches St. Johann: Vereinsunterlagen 1975–2010. Staatsarchiv Basel-Stadt, Ablieferung 2022/15.

Autor*in

Daniel Hagmann ist Leiter der Abteilung Kommunikation und Vermittlung im Staatsarchiv Basel-Stadt.