Ein Haus an der Birs

Veröffentlicht am 24.6.2020, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Mittelalter

Es war ein einsames Haus, das einst weit draussen vor der Stadt an der Birsbrücke stand. Genutzt wurde es nur wenige Wochen im Jahr. Es führt uns zurück in eine Zeit, in der an Birs und Rhein vor allem eines vorherrschte: Natur pur. Das Haus diente der Basler Fischerzunft zum “Nasenfang”.

Ein Haus der Zunft zu Fischern

Beim besagten Haus handelt es sich um das “Birshäuschen” oder “Fischerhaus”, das der Zunft zu Fischern gehörte. Die Basler Fischer formierten sich 1354 mit den Schiffleuten zu einer sogenannten “gespaltenen Zunft” und hielten das Recht auf den “Nasenfang”. Die Nase (Chondrostoma nasus) ist ein Fisch aus der Familie der Karpfen. Der wilde Flusslauf der Birs bot der Nase einst beste Laichgründe. Alljährlich stiegen während des “Nasenstrichs” zwischen März und Mai tausende Nasen vom Rhein in die Birs auf. Dort lauerten die Basler Fischer und machten fette Beute.

Brotfische

Der Fisch "Nase"
Nase (© Wikimedia Commons).

Der Frühling war damals eine kritische Jahreszeit. Die Vorräte aus dem letzten Jahr neigten sich dem Ende zu, und frische Nahrungsmittel waren noch nicht verfügbar. Die Menschen waren deshalb froh um kostengünstige “Brotfische” wie etwa die schmackhafte Nase aus der Birs. Für den Nasenfang legten die Fischer unmittelbar oberhalb der Birsbrücke ihre Netze aus. Ob der grossen Zahl an Fischen mussten diese Tag und Nacht geleert werden. Um dies zu bewältigen, brauchten die Fischer weit draussen vor der Stadt eine geeignete Unterkunft: das Fischerhaus. Über die Einrichtung des Hauses ist nichts bekannt. Doch auf Bildern erkennt man einen stattlichen Steinbau mit Ziegeldach. Damit sich die Fischer nach der Arbeit im kalten Birswasser und in den kalten Frühlingsnächten aufwärmen konnten, versorgte der Basler Rat das Birshäuschen jährlich mit Brennholz.

Die Federzeichnung von Emanuel Büchel (1705-1775) zeigt die Birsbrücke mit Fischerhaus von Süden. Im Vordergrund der Nasenbach mit Stauvorrichtung
Die Federzeichnung von Emanuel Büchel (1705-1775) zeigt die Birsbrücke mit Fischerhaus von Süden. Im Vordergrund der Nasenbach mit Stauvorrichtung. Zwei Männer tragen an einer Stange einen Fischkübel weg (© Staatsarchiv Basel-Stadt).

Begehrt und umkämpft

Mit der Wende zum 16. Jahrhundert erhielt die Fischerzunft den Nasenfang als Lehen vom Rat und musste die daraus erzielten Einkünfte hälftig mit ihm teilen. Fischfang und -handel war jedoch kein lukratives Handwerk und die Fischerzunft entsprechend arm. Neben dem Zunftherrn und Meister wählte die Zunftgemeinde jährlich zwei bis drei “Birsfischer”, die am Gewinn beteiligt waren. Immer wieder kam es bei der Wahl zu Streitigkeiten, weil alle Zünftler profitieren wollten, und sich von ihren Kollegen übervorteilt fühlten. Nicht selten musste der Rat schlichten und vermitteln. Mit der Aussicht auf Gewinn ging aber auch das Risiko einher, bei schlechtem Fang auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Ein Bach für die Nasen

Die Fische wurden auf den Basler Fischmarkt gebracht und dort verkauft. Zwischen Fang und Abtransport wurden sie im “Nasenbach” frisch gehalten; einem Kanal zwischen St. Albanteich und Birs, der sich aufstauen liess, und die Fische mit ausreichend Sauerstoff versorgte. Der Nasenbach ist heute verschwunden, jedoch verdankt ihm der “Nasenweg” seinen Namen. Wann die Fischerzunft den Nasenfang einstellte, wissen wir nicht. Spätestens 1832, als die Birs an diesem Ort zur Kantonsgrenze wurde, dürfte man ihn aufgegeben haben. Auch das Fischerhaus ist verschwunden. Heute steht an etwa derselben Stelle das “Tierheim an der Birs”.

In Wort und Bild: Der Nasenweg im Breitequartier
In Wort und Bild: Der Nasenweg im Breitequartier (© Sabina Lutz, 2020).

Nasen und Natur verschwunden

Im 19. und 20. Jahrhundert griff der Mensch massiv in die Flussläufe von Rhein und Birs ein. Die einst wilden Gewässer der Region wurden “gezähmt” und fast gänzlich wirtschaftlichen Interessen unterworfen. Die Nasen sind mit der Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume weitgehend aus der Region verschwunden. Erst langsam kehren sie mit der Renaturalisierung der Gewässer zurück. Doch das gedeihliche Miteinander von Mensch und Natur bleibt in der dicht bevölkerten Region Basel fragil. Es ist eines von vielen Themen der neuen Basler Stadtgeschichte, die aktuell geschrieben wird.

Quellen

Abbildungen

Abb. 1: Birsbrücke mit Fischerhaus [Bild beschnitten]: Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. Fb 3, 1.

Abb. 2: Nase (Chondrostoma nasus): Wikimedia Commons, André Karwath aka Aka [23.06.2020].

Abb. 3: Strassenschild Nasenweg: Sabina Lutz, 2020.

Autor*in

Marco Geu studierte Geschichte und forschte zur Wirtschaftsgeschichte und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit. Heute arbeitet er bei einer Schweizer Gewerkschaft. Er ist Mitglied des Vereins Basler Geschichte.