Gerümpel als Geschäft: Frauen und der Handel mit Waren aus zweiter Hand

Veröffentlicht am 24.3.2021, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Neuzeit

Im Februar 1791 reichte eine Gruppe von Bürger*innen vor dem Basler Rat Klage ein gegen neun Hintersassen – Einwohner*innen ohne Bürgerrecht –, die unerlaubterweise mit Gebrauchtwaren Handel trieben. Auf beiden Seiten waren ledige, verheiratete und verwitwete Frauen involviert. Der Konflikt ermöglicht einen seltenen Blick auf wirtschaftliche Aktivitäten von Frauen im 18. Jahrhundert, mit denen sie sich auf einem schmalen Grat zwischen Erlaubtem, Geduldetem und Verbotenem bewegten.

Secondhand in der Frühen Neuzeit

Brauchte man im 18. Jahrhundert einen neuen Rock oder ein grösseres Bett, kaufte man diese oft gebraucht und verkaufte stattdessen, für was man keine Verwendung mehr hatte.

Dazu gab es in Basel verschiedene Möglichkeiten: Einzelne Objekte wurden in privaten Netzwerken weitergegeben, über Annoncen im Basler Avisblatt ausgeschrieben oder Läden und Werkstätte nahmen sie zum Weiterverkauf in Kommission. An den öffentlichen Ganten wurden ganze Hausratsinventare einzeln an die oder den Meistbietenden versteigert und an den viermal jährlich stattfindenden Fronfastenmärkten auf dem Marktplatz wurden Gebrauchtwaren aller Art zum Verkauf angepriesen.

Fronfastenmarkt auf dem Basler Marktplatz, Jakob Senn, 1828
Abb. 1: Fronfastenmarkt auf dem Basler Marktplatz, Jakob Senn, 1828 (© Kunstmuseum Basel).

Objekte aus zweiter Hand waren dabei nicht unbedingt auch zweite Wahl: Bis ins 19. Jahrhundert blieben materielle Güter immer auch eine Wertanlage, die bei Bedarf wieder zu Geld gemacht werden konnte. Wer aber durfte daraus ein Geschäft machen, gebrauchte Waren gewerbsmässig verkaufen und sich damit den Lebensunterhalt oder zumindest ein Zubrot verdienen?

Konkurrenz um Gebrauchtwaren

Wer darf Gebrauchtwaren wann und wie verkaufen? Genau darüber waren sich die beiden Parteien im Konflikt vom Februar 1791 uneinig. Sieben Männer und fünf Frauen auf der Seite der Anklage waren der Meinung, dass dieses Privileg Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten sei. Sie beriefen sich dabei auf eine im Jahr zuvor erneuerte Ordnung, nach der ausserhalb der Fronfastenmärkten und der Messe Fremden, Juden und Hintersassen der Handel in der Stadt verboten war. Die Angeklagten – unter ihnen fünf alleinstehende Frauen, ein Mann und zwei Ehepaare – widersprachen: Ihre Geschäfte würden “schon seith langer Zeit alhier geduldet” und seien daher rechtens. Diese Argumentation stiess beim Rat auf taube Ohren: Sie wurden angewiesen, binnen zwei Wochen sämtliche Restposten zu verkaufen und ihren Handel danach einzustellen.

Mandat vom 08.09.1790 gegen das Hausieren der Juden und anderer fremder Krämer
Abb. 2: Mandat vom 08.09.1790 gegen das Hausieren der Juden und anderer fremder Krämer (© Staatsarchiv Basel-Stadt).

In einem Einspruch legten drei der Angeklagten dar, wie das Urteil sie in ihren Existenzen bedrohe: Eine Witwe versorge vom Einkommen vier unmündige Kinder, eine zweite sei fast blind und der Laden einer Frau Bebler sei die einzige Einnahmequelle des Ehepaars. Trotz einem erneut negativen Bescheid versuchte diese Frau Bebler noch monatelang, ihr Geschäft heimlich weiterzuführen, indem sie eine Bürgerin als legale Front für ihre Aktivitäten bei sich aufnahm. Aber auch dieser Versuch scheiterte schliesslich an den wachsamen Augen der Konkurrenz und der harten Linie des Rates.

Es ist naheliegend, dass die anklagenden Parteien das Argument des fehlenden Bürgerrechts dazu nutzten, um ihre eigene Stellung im Markt zu stärken. Ein Dorn im Auge war ihnen nämlich besonders die grosse Konkurrenz an den Ganten, wo die Hintersassen-Frauen ihnen alles “vertheuren und wegkaufen” würden. Es wird aber auch deutlich, dass für Gebrauchtwarenhandel zwar in der Theorie strenge Vorschriften herrschten, die sich die Bürger*innen in diesem Fall auch zu Nutzen machten, diese in der Praxis aber nur bedingt durchgesetzt wurden. Besonders auffällig: Unter den zweiundzwanzig am Konflikt beteiligten Personen ist nur einer als Gremper beschrieben und damit ein Vertreter des zünftischen Gewerbes, dem eigentlich der gewerbsmässige Handel mit Gebrauchtwaren vorbehalten war.

Weibliche wirtschaftliche Aktivitäten im Allgemeinen und solche im Graubereich des Legalen im Besonderen hinterlassen in den Archiven häufig nur wenig Spuren. Es ist daher bemerkenswert, dass in diesem Konfliktfall Frauen deutlich in der Überzahl sind. Der Handel mit gebrauchten Waren bot Frauen scheinbar eine günstige Möglichkeit, sich ein eigenes Auskommen zu verschaffen. Unverheiratet bestritten sie damit ihren Lebensunterhalt, ersetzten das Einkommen von verstorbenen, abwesenden oder arbeitsunfähigen Ehemännern und ernährten damit sich und ihre Familien.

Alte Bettdecken und schicke Möbel

Ein paar dieser involvierten Frauen bewarben ihr Warenangebot auch durch Anzeigen im Basler Avisblatt. Während sich einige auf Textilien spezialisierten, boten andere ein breiteres Sortiment an, das auch Möbel und Werkzeuge umfasst und von selbstgemachten Lebensmitteln ergänzt wurde.

Anzeige der Frau Bebler im Basler Avisblatt vom 22.12.1808
Abb. 3: Anzeige der Frau Bebler im Basler Avisblatt vom 22.12.1808. (© Universitätsbibliothek Basel).

Besonders intensiv nutzte beispielsweise die unverheiratete Bürgerin Nübling das Avisblatt: Allein im Jahr 1791 pries sie in fünf mehrfach wiederholten Anzeigen ein breites Sortiment aus Bettkästen und Bettwaren, Uhren, Mänteln, Hemden, Kleidern und Schlafröcken unterschiedlicher Materialien und Qualitäten an. Die Hintersassen-Frauen waren zwar bereits vor dem Prozess weniger aktiv im Avisblatt, aber auch sie inserierten vereinzelt seidene Strümpfe und Kleider, Vogelkäfige, Hackbänke sowie Bettdecken und boten damit ein ähnlich grosses Angebot wie ihre Konkurrentinnen mit Bürgerrecht.

Zwar verschwinden die Angeklagten nach 1791 für ein paar Jahre aus den Anzeigen, dass sie solche in der Zwischenzeit weiterhin anonym aufgaben, ist jedoch nicht unwahrscheinlich. So meldete sich etwa die erfindungsreiche Frau Bebler ab 1799 sogar namentlich wieder zu Wort: In ihrem Geschäft am unteren Spalenberg, von dem sie sich acht Jahre zuvor angeblich zurückgezogen hatte, verkaufte sie in den nächsten Jahren u.a. “schöne grüne Fauteuils mit Geisfüssen”, “nußbaumene Kommoden” und sogar ein “Flügel mit 5 Octaven”. Es scheint, als habe sie einmal mehr einen Weg gefunden, ihren Laden allen Widerständen zum Trotz weiterzuführen.

Quellen

Literatur

Klage Bürger*innen gegen Hintersassen: StABS Protokolle Polizei E 72, 21.02.1791.

Einspruch der Hintersassen-Frauen: StABS Handel und Gewerbe L3, 05.03.1791.

Verfahren gegen Frau Bebler: StABS Protokolle Polizei E 72, 28.11.1791 und 03.12.1791.

Abbildungen

Abb. 1.: Fronfastenmarkt auf dem Basler Marktplatz, Jakob Senn, 1828. Kunstmuseum Basel: Inv. Bi.263.7. Foto: Kunstmuseum Basel, Jonas Haenggi.

Abb. 2: Mandat vom 08.09.1790 gegen das Hausieren der Juden und anderer fremder Krämer. Staatsarchiv Basel, STA Bf 1 A 15-56.

Abb. 3: Anzeige der Frau Bebler im Basler Avisblatt vom 22.12.1808. UBB, Digitalisat: Projekt “Märkte auf Papier”.

Autor*in

Anna Reimann hat in Basel und Reykjavik Deutsche Philologie und Geschichte studiert und ist seit Dezember 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt “Märkte auf Papier”. Sie schreibt an ihrer Dissertation zu den materiellen Welten des Basler Avisblatts im 18. und frühen 19. Jahrhundert.