Eine Fusion mit Zwischentönen – bis heute

Veröffentlicht am 11.11.2020, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Zeitgeschichte

Montag, 8. Dezember 1997. Im Konferenzgebäude Grünenhof der Schweizerischen Bankgesellschaft, unweit der Zürcher Bahnhofstrasse, spielt sich Historisches ab: Vier Herren verkünden an der Pressekonferenz die Zusammenlegung ihrer beiden Grossbanken. Die Geburtsstunde der UBS, eines der grössten Finanzinstitute der Welt, steht für vieles: sie ist ein Spiegelbild globaler Entwicklungen, ein Produkt personeller Seilschaften und ein Zeichen des schwächelnden Basler Finanzplatzes.

Das Flaggschiff auf dem Basler Finanzplatz

Heute steht Basel ohne Grossbank da, die einst glorreichen Zeiten als Finanzplatz gehören der Vergangenheit an. Mitte des 20. Jahrhunderts rechnete noch niemand damit. Die Zeichen standen auf Wachstum. Am eindrücklichsten war dies beim Schweizerischen Bankverein zu beobachten. Die Basler Grossbank nahm in der Nachkriegszeit aktiv an der steigenden Internationalisierung der Finanzmärkte teil. Davon zeugte ihr ausgeweitetes Filialnetz. Bereits in den frühen 1970er-Jahren war sie auf allen Kontinenten vertreten.

Aber auch im Inland weitete die Grossbank ihr Geschäftsvolumen aus. Diverse Übernahmen anderer Banken ebneten diesen Weg. Die Anzahl Geschäftsstellen in der Schweiz explodierte regelrecht, von 29 Niederlassungen 1960 auf 282 Filialen 1991. Der SBV bediente gezielt die gewachsenen Bedürfnisse der Konsumgesellschaft. Dazu gehörte auch die laufende Erweiterung der Angebote, vom Kreditgeschäft bis zur börsenorientierten Vermögensverwaltung.

Pressekonferenz zur Bekanntgabe der UBS-Fusion, 8. Dezember 1997. Auf der rechten Seite sitzen Georges Blum und Marcel Ospel vom Schweizerischen Bankverein aus Basel, auf der linken Seite Mathis Cabiallavetta und Robert Studer von der Schweizerischen Bankgesellschaft aus Zürich
Abb. 1: Pressekonferenz zur Bekanntgabe der UBS-Fusion, 8. Dezember 1997. Auf der rechten Seite sitzen Georges Blum und Marcel Ospel vom Schweizerischen Bankverein aus Basel, auf der linken Seite Mathis Cabiallavetta und Robert Studer von der Schweizerischen Bankgesellschaft aus Zürich (© Martin Ruetschi / Keystone).

Angeln in neuen Gewässern

Nach dem Ende von Bretton Woods 1973 erlebten die internationalen Finanzmärkte eine grundlegende Transformation. Finanztransaktionen entwickelten sich immer mehr zu einem globalen Geschäft, befreit von staatlicher Lenkung. Im Bankengeschäft wurde dieser Prozess von einer Akzentverschiebung begleitet: das klassische Kreditgeschäft verlor an Gewicht – das grosse Geld war neu in den Kapitalmärkten, im aufblühenden Investmentbanking zu holen.

Der Schweizerische Bankverein war bemüht, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Richtig aggressiv ins Investmentbanking drang er aber erst in den 1990er-Jahren ein. Die tragende Figur dahinter war Marcel Ospel (1950–2020), die Verkörperung des American Dream. Ospel wuchs in einfachen Verhältnissen auf, absolvierte eine Banklehre und kämpfte sich schrittweise in die Teppichetagen der internationalen Bankenwelt hoch. Beim SBV stieg er 1977 ein und kam zu Einsätzen in London und New York. Dort entwickelte der ambitionierte Banker seine Faszination für die Kapitalmärkte und die Freude am Risiko, die ihn später sein Amt kosten sollte.

Über Umwege kehrte er 1987 wieder zum Bankverein zurück, diesmal als Leiter des Wertschriftenhandels. Die Grossbank wollte ihre globalen Kapitalmarktgeschäfte vorantreiben – Ospel schien der richtige Mann dafür. Und die Personalie hielt, was sie versprach. In den 1990er-Jahren zeichnete sich Ospel für mehrere strategische Übernahmen von ganzen Teams an Kapitalmarktspezialisten verantwortlich. Für ihn war klar: will der Bankverein zu einer global führenden Adresse im Investmentbanking aufsteigen, muss er sich ein paar starke ausländische Institute anbinden. Ospel prägte diese Neuorientierung und übernahm 1996 die Konzernleitung.

Das Jahrzehnt der Fusionen

Die Expansionsstrategie erreichte mit der UBS-Fusion ihren Höhepunkt. Der gemeinsame Schulterschluss hat eine lange Geschichte mit vielen Grautönen. Zum einen war er eine Konsequenz politischer Umbrüche. Die Schweiz gehörte lange zu den kartellfreundlichsten Nationen der Welt. In den 1990er-Jahren wurde dies zunehmend zu einem Problem. Die Europäische Gemeinschaft und die Welthandelsorganisation drängten auf Marktöffnungen. Die Schweiz musste den heimischen Wirtschaftsraum liberalisieren.

Mit der Totalrevision des Kartellgesetzes 1995 wurde es für ausländische Unternehmen attraktiver, in den Schweizer Binnenmarkt einzudringen. Und dies erhöhte den Druck auf die schweizerischen Firmen. Übernahmen und Fusionen waren ein Instrument, um mit den globalen Konkurrenten mithalten zu können. Die Bankenkonzentration in den 90ern war bemerkenswert. Zwischen 1990 und 2000 ging die Zahl Schweizer Banken von 495 auf 375 zurück.

Zum andern gaben auch persönliche Karriereabsichten den Takt vor. Die Gespräche zwischen Bankgesellschaft und Bankverein scheiterten mehrfach an der Frage, wie die Führungsposten auf die Manager der beiden Banken verteilt werden sollten. In allen Planungsentwürfen hätten die Bankgesellen die Überhand gehabt. Innerhalb des Bankvereins sei es derweil laut Georges Blum, dem damaligen Verwaltungspräsidenten, zum “Putsch final” gekommen. Ospel habe mit einer Demission gedroht, sofern der Verwaltungsrat einer Fusion nicht zustimmen würde. Blum hingegen war überzeugt, dass eine Zusammenlegung nicht notwendig sei.

Dann erfolgte die Wende, die Ospel in die Hände spielte: Im Oktober 1997 ging SBG-Konzernchef Mathis Cabiallavetta mit einem Angebot auf Ospel zu. Die Bankgesellen waren angeschlagen, sie beklagten hohe Verluste im Handelsgeschäft. Ihr Risikomanagement erwies sich als unzulänglich – ein Feld, auf dem der Bankverein einen guten Ruf genoss. Der SBV hatte nun die besseren Karten in der Hand. Da auch der Verwaltungsrat einlenkte, war die UBS-Fusion beschlossene Sache.

Die alten Schilder des Schweizerischen Bankvereins werden in ein Auto geladen
Abb. 2: Die alten Schilder des Schweizerischen Bankvereins haben ausgedient. Mit ihnen verschwinden auch der Firmenname und der türkise Hintergrund. Die berühmten Schlüssel des Bankvereins hingegen wurden in das neue Logo übernommen. Fotografie aufgenommen am 22. Juni 1998 (© Walter Bieri / Keystone).

Stadt ohne Grossbank

Der SBV profitierte kurzfristig von der Fusion. Ospel übernahm die operative Leitung der UBS, Cabiallavetta beschränkte sich auf das Verwaltungspräsidium. Die Führung der neuen Bank bekleideten mehrheitlich Manager aus Ospels Entourage im internationalen Kapitalmarktgeschäft. Zudem wurde das _Bankverein-_Logo beibehalten und ein zweiter Hauptsitz in Basel eingerichtet.

Auf lange Sicht verlor der Standort Basel aber immer mehr an Bedeutung. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Zürich als das Schweizer Finanzzentrum schon vor den Verhandlungen für den Bankverein wichtig geworden war. Bereits 1986 verlagerte er das Kapitalmarktgeschäft nach Zürich, 1991 folgte das internationale Grosskundengeschäft. Und als die UBS 2014 eine neue Holdingstruktur gründete, gab sie ihren Doppelsitz auf.

Doch für lange Rückblenden bleibt keine Zeit. Der Globalisierungsdruck hat seit den 1990er-Jahren nicht abgenommen, im Gegenteil. Die Anforderungen an die kritische Grösse eines Finanzunternehmens sind weiter gestiegen, das haben die jüngsten Fusionsgespräche zwischen Credit Suisse und UBS deutlich gemacht.

Quellen

Literatur

Bauer, Hans: 100 Jahre Schweizerischer Bankverein, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 25/19 (1972), Beilage 4.

Blum, Georges: Société de Banque Suisse, Union de Banques Suisses. La vérité et le pourquoi de cette fusion. Lausanne 2015.

Cassis, Youssef: Metropolen des Kapitals. Die Geschichte der internationalen Finanzzentren von 1780–2005. Hamburg 2007.

Leitz, Christian: 150 Jahre im Bankgeschäft, hrsg. von der UBS AG. Zürich 2012.

Rogge, Peter G.; von Unold, Peter: Die Dynamik des Wandels. Schweizerischer Bankverein 1872–1997: Das fünfte Vierteljahrhundert, hrsg. vom Schweizerischen Bankverein. Basel 1997.

Schütz, Dirk: Herr der UBS. Der unaufhaltsame Aufstieg des Marcel Ospel. Zürich 2008.

Abbildungen

Abb. 1: Pressekonferenz UBS-Fusion: Martin Ruetschi / Keystone.

Abb. 2: Abtransport Logo Bankverein: Walter Bieri / Keystone.

Autor*in

Silas Gusset hat an der Universität Basel Geschichte studiert und ist Co-Autor von Band 8 (1960 bis Gegenwart) der neuen Basler Stadtgeschichte. Das Treiben auf den Finanzplätzen ist komplex und überladen von erklärungsbedürftigen Fachbegriffen. Es hat aber grossen Einfluss auf die Entwicklung der Stadt Basel, insbesondere im 20. Jahrhundert. Deshalb interessiert sich Silas Gusset für die Basler Wirtschaftsgeschichte.